Kieler Nachrichten 1998-12-29
Tageszeitung

Zwei Männer drehen auf
Die Videofilmer Peter Leder und Mathias Denker auf Erfolgskurs mit ihrer "Winkenden Frau"

Gerald Koll

Peter Leder und Mathias Denker beim Drehbuch schreiben
"Wir trauen uns einfach mal..."
Und das mit Erfolg: die Kieler Filmer Peter Leder und Mathias Denker

Sechs Filme in einem Jahr. Das schaffen nur wenige. Peter Leder und Mathias Denker sehen das anders: nur sechs, sie hätten im letzten Jahr berufsbedingt leider "nicht voll durchziehen" können, aber das soll 1999 anders werden. Neider würden sich gerne damit trösten, dass da wahrscheinlich Schrott vom Fließband geliefert wird. Doch internationale Jurys und Gremien sind da anderer Ansicht.

Gerade hat "Die winkende Frau" in Köln einen "photokina"-Obelisken ergattert und auch beim traditionsreichen, zehntätigen "Flaggstaff International Film Festival" in Arizona einen Preis gewonnen. Dabei war das Video nicht mal englisch untertitelt. Brauchte es auch nicht, denn nach einem fulminanten Vorspann von zwei Minuten und 43 Sekunden, der von Aufnahmeleitung bis Stuntcrew alle Legionen des Filmbetriebs zu quälend spannungsvibrierender Musik auflistet, sieht man fünf Sekunden lang eine winkende Frau. Eine winkende Frau, die kein Wort spricht. Das war's schon. Handschriftlich steht unter der Mitteilung des amerikanischen "Flaggstaff"-Chairman an die beiden Kieler: "Very funny! The audience loved it!".

Schon mit dem ersten, eher unspektakulären Debüt 1995 konnten die zwei Anerkennung sammeln, eine Auftragsarbeit für die Bundesanstalt für Arbeit, ein Lehrfilm für Behörden. Vorkenntnisse hatten die Kieler damals keine. Denker hatte lange Gitarre gespielt, Leder Artikel für Musik-Fanzines geschrieben. Nichts mit Film. Doch Denkers Flausen, Rockstar zu werden, hatten sich schon verflüchtigt, und so realisierten sie den Film "Die Kasse". Und der, so Denker, "hat eingeschlagen." Schon bald sprach der Präsident des Landesarbeitsamtes seine Belobigung aus.

Diese Initialzündung gab Schub. Beim Feierabendbier erfanden die Exoten vom Amt für den Reisevideo-Wettbewerb "Monte Video" beim Offenen Kanal Kiel die kauzige Stummfilmkomödie einer Nicht-Reise: Peter Leder scheitert an den neuen Ablegerbrücken und verpaßt seine Fähre nach Norwegen. Stilecht in Schwarzweiß gedreht und versetzt mit Zwischentiteln und klingelndem Klavier, räumte das Team sogleich den Publikumspreis nebst Sonderpreis ab.

Das war im Mai. Im gleichen Monat entstand "Faß!", in seinen zwei Minuten konsequent aus der Perspektive eines Hundes gedreht, der seine Schnauze zu tief in den Bierschaum hängt. Keck hängen Haare am oberen Bildrand, Hundehaare - die beiden Trickser kennen die Finten der Branche.

Die Spaßmacher können auch anders: Im Video "(No) Future" spielen sie experimentell mit Graphiken und Geschwindigkeit. Man sieht nur Schrifttafeln mit Schlagwörtern. So spulen sie das Jahrhundert in zwei Minuten im Schnelldurchlauf ab und drücken nur hin und wieder mal auf die Pausetaste. Wie im Roulett wird man auf Statements gestoßen, die sich jeden Augenblick ändern.

Die eher pessimistische Auffassung vom Gang der Welt bestätigt sich auch im jüngsten Film "Mensch bleibt Mensch" (Preis der "Fivico"-Medientage). In Wahrheit sind beide äußerst frohgemut, haben schon das nächste Werk im Visier: Die "Fingerübungen" der Vergangenheit, wie Leder es nennt, sollen jetzt in einem Langfilm münden. Ein humoristischer Thriller soll es werden, mehr wird nicht verraten.

Und demnächst nicht mehr nur auf Video, sondern mit Super-8-Unterstützung. Das heißt aber auch: Mancher Abend wird lang werden für Leders Freundin und Denkers Frau und Katze. Und noch manches Bier wird gezapft und getrunken werden müssen, denn dabei kommen dem Duo die besten Filmideen.

Leder: "Erstaunlicherweise kriegen wir uns nie in die Haare." Bei so viel Zuspruch und Einigkeit wächst der Mut. "Wir trauen uns einfach mal", sagten sie sich, als sie von Amerika und "Flaggstaff" hörten. Schon andere haben sich dort den ersten Applaus geholt: Jonathan Demme, Oliver Stone, David Lynch. Wer wagt, gewinnt.

zurück

Seitenanfang

Übersicht fIF-Home Kontakt

© fIF - feine Idee Film Impressum       Haftungsausschluss